Wie erleben die Lehrer die herausfordernde Schulsituation während der Corona-Pandemie? Um Ihnen echte Einblicke zu ermöglichen, erzählen einige unserer Lehrer von ihrem neu strukturierten Schulalltag im Distanzunterricht.
„Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aktuell aus – was hat sich verändert?“
„Natürlich hat sich der Arbeitsalltag stark verändert. Aber auch während des Online-Unterrichtes ist es mein Ziel, den vorgegebenen Lehrplan bestmöglich einzuhalten. Hierfür erfolgt eine Zuweisung von Übungsaufgaben in Kombination mit Online-Konferenzen. Bei der Anzahl und dem Umfang der Aufgaben und Konferenzen orientiere ich mich immer individuell an den Klassen und Schülern. Dabei berücksichtige ich das Feedback der Schüler und lasse es in den Unterrichtsaufbau einfließen. Der zeitliche Aufwand ist hoch, da natürlich auch die technische Unterstützung im Umgang mit der Software (MS-Teams) gewährleistet sein muss.“
R. Bonke, Biologie- und Erdkundelehrer
„Am Wochenende und Vorabend bereite ich die Aufgaben vor (Arbeitsblätter erstellen, Buchseiten scannen, Lernfilme auf Eignung prüfen und Aufgaben dazu entwerfen, Vokabelquiz planen etc.). Ich muss alle Aufgaben anpassen, damit sie auch aus der Distanz verständlich sind und die Schüler nicht überfordern, aber mehr als eine reine Beschäftigung sind. Der tägliche Arbeitsaufwand ohne Meetings und inklusive der Korrekturen zurückgegebener Aufgaben liegt bei rund vier Stunden, am Wochenende sind es insgesamt fünf Stunden. Vor allem „hört die Arbeit nie auf“.“
E. Blum, Deutsch- und Französischlehrerin
„Mein Arbeitsalltag hat sich schon sehr verändert, da ich sehr viel Zeit vor dem Rechner verbringe und auch noch zwei eigene Kinder im Homeschooling zu Hause habe, die zwischendurch mit Fragen kommen oder versorgt werden wollen. In der Regel versuche ich immer schon am Abend vorher meine Aufgaben oder Arbeitsblätter für die Meetings an die Schüler zu verschicken, damit der Morgen stressfreier ablaufen kann, auch bei den Schülern, denn dann können sie sich die Materialien zuvor schon ausdrucken und gegebenenfalls die Lektüren bereithalten. Viele Aufgaben habe ich ganz neu konzipiert, damit die Schüler sie auch ohne die Erklärungen, die ich sonst im Unterrichtsgespräch gebe, erarbeiten können. Auch den Umfang der Aufgaben habe ich neu angepasst, denn die Schüler brauchen zum eigenständigen Erarbeiten einfach etwas mehr Zeit. Die Schüler aus Klasse 13, die regelmäßig im Unterricht anwesend waren, sind gut im Stoff vorangekommen und können viele Inhalte gut erinnern, das ist für sie auch eine wichtige Erkenntnis auf dem Weg zum Abitur. Dennoch muss ich zwischendurch natürlich oft Fragen beantworten, Mut machen, Hinweise geben und ansprechbar bleiben. Da läuft vieles über Mail, teilweise aber auch per WhatsApp und Telefon. Die fertigen Aufgaben der Schüler sind oft sehr umfangreich, so dass ich viele Stunden mit dem Korrigieren und Kommentieren der Aufgaben verbringe.“
K. Jacobi, Deutschlehrerin
Wie schaffen Sie es, selbst motiviert zu bleiben? Wie sehr fehlt Ihnen der direkte Kontakt zu den Kindern?
„Der direkte Kontakt mit den Schülern fehlt mir sehr, weil dieser Kontakt für mich den zentralen Bestandteil des Lehrerberufes ausmacht. Corona ist ein temporäres Problem, auch wenn die Situation schon lange anhält. Ich will meine positive Sichtweise nicht verlieren und besonders in diesen Zeiten schöpfe ich Motivation aus dem Wissen, etwas Sinnvolles zu tun.“
René Bonke, Biologie- und Erdkundelehrer
„Motivation ist nach der langen Zeit ohne Perspektive schwierig, ich versuche mir nichts anmerken zu lassen, weil wir in jedem Meeting die Schüler aufbauen und ihnen Tipps geben müssen, wie sie sich strukturieren können und nicht die Motivation verlieren. Die Schüler fehlen mir enorm, das Zusammensein macht ja unseren Beruf aus, nicht die bloße Stoffvermittlung. Zudem bin ich bei einigen in großer Sorge.“
E. Blum, Deutsch- und Französischlehrerin
„Mich motiviert der Gedanke sehr, dass meine Schüler ihr Abitur schaffen wollen und daher am Ball bleiben müssen, so wie ich auch! Mit vielen gelingt es gut, sich gegenseitig zu motivieren, mit einigen wenigen ist es schwierig, da sie nicht gut mit der Situation zurechtkommen. Ich bemühe mich zuversichtlich zu bleiben und versuche mir immer wieder einen Ausgleich zur Arbeit am Rechner zu verschaffen, dadurch dass ich lese oder mit dem Hund spazieren gehe. Solche Tipps gebe ich dann auch den Schülern, wenn sie einen Durchhänger haben.“
K. Jacobi, Deutschlehrerin
Was unternehmen Sie, um den Kontakt zu den Kindern zu halten und sie zu motivieren?
„Über WhatsApp-Gruppen und E-Mail sowie persönliche Telefonate stehe ich regelmäßig mit den Schülern in Kontakt. Die (fast) permanente Erreichbarkeit kann zwar einerseits anstrengend sein, wenn ich z. B. am Sonntagabend von Schülern kontaktiert werde, weil sie ihren neuen Stundenplan im E-Mail-Eingang „angeblich“ nicht finden können. Andererseits zeigt das auch die enge Bindung zu meinen Schülern (zu meiner Schulzeit hätte ich mich nicht getraut, meinen Lehrer am Sonntagabend anzurufen!). Für mich ist es wichtig, ihnen ihr Ziel, den erfolgreichen Abschluss, vor Augen zu führen und sie zum Durchhalten zu animieren, positive Verstärkung ist hierbei sehr wichtig.“
René Bonke, Biologie- und Erdkundelehrer
„Ich nehme Klassenlehrergespräche (die „Wie geht es Euch? -Runde“) genauso wichtig wie die Stoffvermittlung. Schüler, die besonders down wirken, schreibe ich nach den Meetings noch einmal an. ich animiere sie, sich zusammenzutun und beruhige sie, dass ihnen nichts verloren geht und wir im Stoff gut vorankommen. Auch Vorschläge für Tagesstrukturen und die Gelegenheit, sich untereinander beraten, hilft den Schülern.“
E. Blum, Deutsch- und Französischlehrerin
„Im Kontakt bin ich mit vielen Schülern nicht nur per Mail, sondern auch per WhatsApp, mit manchen telefoniere ich auch schon einmal. Zudem bemühe ich mich, alle Aufgaben von den Schülern wertschätzend zu kommentieren. Bei unseren Meetings frage ich immer auch danach, wie es ihnen geht und versuche zugewandt zu bleiben, auch wenn das am Rechner natürlich schwieriger ist.“
K. Jacobi, Deutschlehrerin
Wie ist das Feedback der Eltern?
„Das Feedback der Eltern ist sehr positiv, auch hier erfolgt ein sehr enger Austausch. Natürlich ist in den Familien die Umstellung groß. Wenn beispielsweise für mehrere Kinder zu Hause parallel das Homeschooling erfolgen muss und die Eltern selbst im Homeoffice tätig sind, ist das sicherlich eine Herausforderung. Hinzu kommen technische Probleme (Verfügbarkeit von Computern, Bandbreite des Internets etc.) und natürlich auch Fragestellungen der Kinder zu Hausaufgaben.“
René Bonke, Biologie- und Erdkundelehrer
„Die Eltern können nicht immer eng kontrollieren, was ihr Kind den ganzen Vormittag macht. Sie sind dankbar für unsere Rückmeldungen. Die Schüler lernen mit uns und nicht mit den Eltern. Da können sich die Eltern auf uns verlassen.“
E. Blum, Deutsch- und Französischlehrerin
„Da ich nur jugendliche Schüler unterrichte, bin ich in den meisten Fällen im direkten Kontakt mit den Jugendlichen und weniger mit den Eltern. Bei manchen ziehe ich aber die Eltern hinzu, wenn der Eindruck entstanden ist, dass das Gespräch mit dem Schüler nicht hinreichend ist. Ebenso ist es mit den Internaten, da schreibe ich bisweilen Mails oder suche per Telefon den Austausch.“
K. Jacobi, Deutschlehrerin
Wie leicht ist Ihnen der Umstieg auf digitale Medien gefallen?
„Die Einarbeitung in Teams mit den damit verbundenen neuen Möglichkeiten hat mich persönlich interessiert und ist mir deshalb nicht schwergefallen. Lösungen für technische Probleme bedürfen aber teilweise einer aufwendigen Internet-Recherche und sind häufig auch nur über Try & Error zu lösen.“
René Bonke, Biologie- und Erdkundelehrer
„Es brauchte schon einige Tipps und Tutorials und viel Ausprobieren, bis technisch alles geklappt hat. Der Kollege Bonke hat uns mit seinen profunden MS Teams Kenntnissen sehr unterstützt und jede Frage mit Engelsgeduld beantwortet. So gut die Programme aber sind: Sie sind nie ein Ersatz für Präsenzunterricht.“
E. Blum, Deutsch- und Französischlehrerin
„Leichtgefallen ist mir der Umstieg auf den digitalen Unterricht nicht. Ich war am Anfang sehr unsicher und hatte einige schlaflose Nächte. Mittlerweile gelingt vieles aber gut, bei den Meetings ist ein Unterrichtsgespräch schon fast wie vor Ort möglich und einige Schüler konnte ich so zum ersten Mal ohne Maske sehen. Zusätzlich zu dem direkten Kontakt mit den Schülern fehlte mir auch der Austausch mit den Kollegen. Hier habe ich mit einigen schnell andere Lösungen gefunden. Wir verabreden uns für Videoanrufe, um uns zu besprechen oder wie im Lehrerzimmer die Pause zusammen zu verbringen. Auch haben wir uns teilweise gegenseitig zu Meetings eingeladen, um die Handhabung zu üben.“
K. Jacobi, Deutschlehrerin
Gibt es bei Ihren Schülern größere Wissenslücken oder gelingt es Ihnen trotz der schwierigen Situation, den Stoff ausreichend zu vermitteln?
„Der Online-Unterricht kann und wird den Präsenzunterricht aus meiner Sicht nicht ersetzen. Das trifft vor allem auf die jüngeren Schüler der Sekundarstufe 1 zu, welche natürlich nicht über die Selbstdisziplin eines Oberstufenschülers verfügen. Trotzdem bin ich sehr zufrieden, wie gut sich die Schüler auf die Online-Beschulung eingelassen haben und auch Spaß an der neuen Technik finden. Ich bin positiv überrascht, wie gut sich die Unterrichtsinhalte vermitteln lassen.“
René Bonke, Biologie- und Erdkundelehrer
„In meinen Fächern gelingt es auf jeden Fall, da mache ich mir gar keine Sorgen, auch weil ich im Stoff nicht hinterherhing. Anders wird es jedoch, falls einige Klassen erst im April wieder vor Ort beschult werden dürfen. Große Sorgen machen mir aber die Schüler, die, oft auf sich allein gestellt, kaum Angebote genutzt haben und sich überfordert fühlten.“
E. Blum, Deutsch- und Französischlehrerin
„Mit den Schülern aus Klasse 13 mache ich ganz viele Wiederholungseinheiten, das klappt in meinen Augen gut. Mit den Schülern aus Klasse 11 erarbeite ich neuen Stoff, da muss man sich sehr stark umstellen, denn beispielsweise ein Drama mit verteilten Sprechrollen in einem Meeting zu lesen, ist schon eine gewöhnungsbedürftige Unterrichtssituation, aber die Schüler lassen sich tatsächlich prima darauf ein. Mit den schriftlichen Aufgaben dagegen hapert es bei einigen, da sie nicht gut selbstdiszipliniert arbeiten können. Oft ermuntere ich dann nach der Besprechung noch eine Aufgabe rückwirkend einzureichen, denn es ist auch dann noch eine gute Übung, sich hinzusetzen und das Besprochene zu verschriftlichen. Insgesamt denke ich, dass vieles mittlerweile recht gut auch im digitalen Unterricht läuft, allerdings sollte das in meinen Augen keine Dauerlösung sein. Manche Schüler erreicht man leider nicht gut, das sind aber oft auch die, die sich im Präsenzunterricht gerne zurücknehmen. Digital ist es für sie nun leichter, sich zu entziehen und das ist natürlich keine gute Situation.“
K. Jacobi, Deutschlehrerin