Prof. Dr. h.c. Hans Biegert, Leitender Schuldirektor und Schulträger
Bonn, 24.08.2016
Da sitzen Sie nun, die über 70 neuen Schülerinnen und Schüler in der Aula vor mir und harren in gespannter Erwartung, was nun kommt. Meine traditionelle Schuljahresbeginnrede, Titel diesmal „Können wir Motivation?“
Die meisten, die nun vor mir sitzen – so war in den Vor- und Aufnahmegesprächen klar herauszuhören – kommen mit vielen und großen Hoffnungen in die Schule. Unterricht und Noten mögen sich doch hoffentlich und endlich am HEBO mal zum Guten und Erfolgreichen entwickeln, und dies so die Erwartung- auch bei problematischen Voraussetzungen, ja, bei einigen sogar mit desaströsen Voraussetzung in den Leistungsnoten. Wir haben schon Schüler am ersten Schultag hier sitzen gehabt, die hatten nicht eine einzige ausreichende Note auf ihrem Abgangszeugnis der zuletzt besuchten Schule, oder gar schlimmer noch, sie hatten Fächer dabei, die sie mit jahrelanger Dauer-5 pflegten.
Nun aber – am HEBO angelangt – binnen eines Jahres z.B. eine arbeitsmarkttaugliche Mittlere Reife hinlegen sollten. Und ich verrate Ihnen etwas, wir haben sie, nämlich solche Schülerinnen und Schüler, jedes Jahr dabei, und sie, die Schüler schaffen das!
Konkretes Beispiel 7 Wochen zurückliegend, letzte Mittlere Reife im Juni 2016: Fabian besuchte seit dem zweiten Halbjahr der Klasse 9 die HEBO, kommt mit einem Zeugnis zu uns welches fächerübergreifend nur eine einzige Notenstufe aufweist, nämlich glatt 6 und legt 1,5 Jahre später, Mitte Juni 2016, die Mittlere Reife mit Qualifikation ab.
Ich könnte an dieser Stelle auch den derzeit viel zitierten Merkel-Satz „Wir schaffen das“ strapazieren, und natürlich ist ein „Wir“ dabei, denn ohne die Gemeinsamkeit von Lehrern und Schülern geht es auch bei uns, an der HEBO-Schule nicht. Lehrer und Schüler gemeinsam, das gleiche Ziel: miteinander statt gegeneinander. Denn am Ende geht es insbesondere ohne die Schüler, ohne deren Mitwirkung nicht. Am Ende funktioniert nur das, was man selber will, was man als Schüler selber zulässt und was man selbst mitträgt. Dies zu erreichen, dass Schüler mindestens etwas, besser wäre noch, möglichst viel zulassen, mitmachen, sich einbringen, dies zu erreichen, und wenn´s erst zwei Tage vor der Prüfung ist, dies ist unser Part, der Lehrer-Part. Und wie, das möchte ich Ihnen hier und heute skizzieren.
Kennen Sie dies?
Vielleicht aus Ihrer eigenen Schullaufbahn, aus der ihrer Familie, vielleicht von ihren Geschwistern, Kindern, Enkeln:
Da hat jemand keinen Zugang zu einem Fach, z.B. zu Mathe, trotz Nachhilfe und Betreuung zu Hause. Man kümmert sich! Dennoch: Moritz kassiert eine Mathe-5 nach der anderen. Nun passiert etwas Interessantes; mit dem nächsten Zeugnis, bzw. dem nächsten Schuljahr kommt es unverhofft zu einem Mathe-Lehrer-Wechsel und siehe da, auf einmal spricht Moritz positiv über Mathe und die neue Mathelehrerin.Auf einmal schreibt Moritz eine 4-, dann eine 4, am Ende wird er zum richtig motivierten Mathe-Lerner. Kennen Sie so etwas? Ich schwör´ Ihnen, das gibt’s. Und während Moritz bislang eher Magenbeschwerden bekam, wenn er nur Mathe im Stundenplan des nächsten Tages sah, geht er nun gut gelaunt und motiviert, statt am Computer abzuhängen, sogar zur zusätzlichen zweistündigen nachmittäglichen Mathenachhilfe. Und kaum zu glauben, es scheint ihm auf einmal sogar Spaß zu machen. Die beiden Psychologen Richard Ryan und Edward Deci von der Uni in Rocherster (USA) haben dieses Phänomen wissenschaftlich untersucht und kamen zu dem Ergebnis, dass positive Rückmeldung, also auch fachliche Erfolgserlebnisse, sowie Lob und Anerkennung des Lehrers eine große, ja entscheidende Bedeutung für den Aufbau der schülerseitigen Lernkompetenz haben, sie schreiben dazu:
„Der Anreiz, gute Noten nach Hause zu bringen, kann vom Wunsch nach Anerkennung, also per positiver Rückmeldung, Lob, Anerkennung des Lehrers getrieben sein, heißt, per Motivation von außen = „extrinsische Motivation“. Intrinsische Motivation dagegen, also eine Motivation von innen, vom Schüler heraus kommt, speist sich dagegen eher aus dem inneren Interesse und der inneren Freude am Lerngegenstand“. Und nun das Wichtigste: „Extrinsische Motivation mittels positiver Rückmeldung, Lob, Anerkennung des Lehrers, fördert letztlich auch die intrinsische: So stärkt die Bestätigung durch das soziale Umfeld (durch Eltern und besonders Lehrer wie Mitschüler) messbar (per Effektstärken)das eigene Kompetenzerleben – der betreffende Schüler traut sich messbar selbst mehr zu, dies wiederum hebt die Laune und entzündet die Flamme der intrinsischen Motivation beim Lernen.“
Nun wissen wir also, was wir als Lehrer zu tun haben, damit es mit der Motivation und insbesondere mit der intrinsischen Motivation klappt, denn wir hatten ja gesagt: Am Ende funktioniert, wirkt und bleibt nur, was man als Schüler selber = intrinsisch will, mitgestalten und mitmachen möchte. Ein zweiter Motivationsbaustein allerdings fehlt noch, nämlich neben dem WAS das Wie!
Wie? sollen wir als Lehrer das, was die intrinsische Motivation ausmacht und damit es mit der intrinsischen Motivation wirklich klappt bei den Schülern rüberbringen?
Diesem Problem sind die beiden Psychologen Eleanor Gibson und Richard Walk bereits 1960 an der Cornell University (USA) nachgegangen und zwar mit erstaunlichem Ergebnis. Sie haben nämlich herausgefunden, dass die Bedingungen des Lehrer-Schüler-Übergangs von der extrinsischen zur intrinsischen Motivation eines Schülers nur dann klappt, wenn die Bedingungen des sogenannten Glaubwürdigkeits- und Bindungsprinzips vom Lehrer erfüllt werden.
Gemeint ist:
- Glaubwürdigkeitsprinzip
Nämlich Empathie, einfühlsames Verstehen, Klarheit, Berechenbarkeit, Gerechtigkeit. Die Glaubwürdigkeit von und bei Lehrern ist der zentrale Auslöser in den Schülern für die Bereitschaft, des Schülers den Handlungen und den Motiven des Lehrers voll und ganz Glauben zu schenken und ihnen zu folgen. „Ich kann mich auf meinen Lehrer voll und ganz verlassen, der lässt mich nicht hängen, dem bin ich wichtig!“Glaubwürdigkeit ist in der Pädagogik von zentraler Bedeutung für die Schülerwirksamkeit von Lehrern, heißt, den Handlungen, Absichten und Motiven des Lehrers zu vertrauen. Sie, die Lehrerglaubwürdigkeit, transportiert somit Kompetenzen und Vertrauenswürdigkeit und Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten.
- Das zweite ist das Bindungsprinzip.
Bindung heißt: Feinfühligkeit, sie vermittelt dem Schüler Zuversicht in Verfügbarkeit und Ehrlichkeit der Bezugsperson, nämlich des Lehrers. Das Verhalten der Bezugsperson (des Lehrers) löst im Schüler keine Frustration und keine Enttäuschung aus. Die Bindungsperson = der Lehrer, erzeugt die Rolle des „sicheren Hafens“, der dem Schüler Schutz bietet, Geborgenheit und Sicherheit.
Das ist die Erfolgsformel einer wirksamen Schulpädagogik! Nicht, dass man eine solche Pädagogik von Grund auf neu erfinden müsste, nein! Man muss in Schule und Unterricht einfach nur das tun, und das konsequent umsetzen, was seit Jahrzehnten bekannt ist:
- Extrinsische Motivation durch Lehrer mittels fachlicher Erfolgserlebnisse, sowie Anerkennung, Lob und Wertschätzung
führt zu
- Intrinsischer Motivation beim Schüler in Form von Kompetenzerleben und verbessertem Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten und vermehrter Lust am Lernstoff, dies wiederum zur positiven Rückmeldung, durch das soziale Umfeld Lehrer, Eltern, Klassenkameraden.
beides entfaltet ihre Wirkung allerdings nur dann,
- wenn die Bedingungen des Glaubwürdigkeitsprinzips in Form von Empathie, Akzeptanz und einfühlendem Verstehen
sowie
- die Bedingungen des Bindungsprinzips in Form von Feinfühligkeit, Ehrlichkeit, Sicherheit vermittelnd
durch Lehrer erfüllt sind.
In diesem Sinne wünsche ich uns Lehrern die Gabe den Schülerinnen und Schülern ein hohes Maß an intrinsischer Motivation zu vermitteln, denn „Ja, wir Lehrerinnen und Lehrer können Motivation.“
Hinweise und Anmerkungen an: Hans.Biegert@hebo-schule.de