Viele Eltern denken bei der Schule vor allem an Fächer wie Mathematik, Deutsch oder Biologie. Dabei ist Schule so viel mehr als nur eine reine Wissensvermittlung. In Zeiten des Corona-Lockdowns mit flächendeckenden Schulschließungen wird dies einmal mehr deutlich.
Emotionale Folgen der Schulschließungen
Betrachtet man die Schulschließungen fernab von Themen wie Bildungschancen oder Wissenslücken, wirken sie sich auf vielen weiteren Ebenen aus. In der Isolierung zu Hause ist der Lockdown für Kinder mit starken Emotionen verbunden:
- Soziale Komponente: Ihnen fehlen nicht nur ihre Freunde für nachmittägliche Verabredungen, auch die weggefallene soziale Interaktion im Klassenverbund nagt am Selbstwertgefühl der Kinder.
- Langeweile: Wo die Schule zuvor mit einem bunten Potpourri an Freizeitaktivitäten glänzte, besteht der Alltag jetzt häufig nur noch aus Schularbeiten. Am Nachmittag macht sich Langeweile breit, die nur allzu oft mit elektronischen Medien gefüllt wird.
- Motivation: In der Schule erkennt man regelmäßige Fortschritte – und die Erfolgserlebnisse, etwa in Form guter Noten, motivieren. Lernen auf Distanz bringt vielleicht auch zurückhaltende Fortschritte, aber es fehlt die Motivation, die gut abgeschlossene Tests mit sich bringen.
- Stress: Wegen der Überforderung der Familien, die aus der Mehrfachbelastung der Eltern infolge Berufstätigkeit, Betreuung und Unterricht resultiert, wird die Schule zunehmend mit Stress und Druck verknüpft.
- Routine: Routine ist für jedes Kind wichtig – ganz besonders jedoch für Kinder mit Besonderheiten wie etwa an AD[H]S oder Autismus.
Lehrer-Schüler- Beziehung ist in Gefahr
Die Lehrpläne der Schulen legen nahe, dass ihre Hauptfunktion die Wissensvermittlung sei. Dabei erfüllen sie „ganz nebenbei“ eine Reihe weiterer Funktionen. Die Schule soll die Kinder zu verantwortungsvollen Persönlichkeiten heranziehen. Neben theoretischem Wissen spielen dabei auch praktische Fähigkeiten sowie die Vermittlung von Werten eine gewichtige Rolle. Lehrer*Innen und Eltern ergänzen sich gegenseitig in der Erziehung und Persönlichkeitsbildung der Kinder.
Der Lehrer*Innen ist eine wichtige Bezugsperson für die Kinder und auch Ansprechpartner für persönliche Probleme. Für Kinder mit einer hohen emotionalen Belastung oder besonderen Lernschwierigkeiten gilt dies umso mehr, da der Lehrer*Innen oft als fester Ankerpunkt im Alltag empfunden wird. Beim Lernen auf Distanz wird er jedoch fast immer auf die Rolle des Wissensvermittlers reduziert. Viele Pädagogen sind um regelmäßigen Kontakt zu ihren Schüler*Innen bemüht. Und doch fällt es ihnen schwer, auf die Distanz wirklich eine vertrauensvolle Verbindung herzustellen.
Kinder mit besonderen Lernschwächen: Rückschritte sind zu erwarten
Für Kinder mit emotionalen, sozialen oder kognitiven Handicaps ist die persönliche Verbindung zu ihrem/ ihrer Lehrer*In als wichtige Bezugsperson entscheidend für die Bewältigung ihrer individuellen Besonderheiten. Über die Distanz können mühsam gewonnene Fortschritte verloren gehen. Oft dauert es Monate, nur kleine Entwicklungsschritte zu erreichen, etwa mit AD(H)S-Kindern die erforderliche Routine und Struktur aufzubauen oder Kindern mit Schulängsten die Vorbehalte gegenüber der Schule zu nehmen. Die wochenlange Isolierung, die mangelnde Struktur im Homeschooling und die Verknüpfung der Schularbeiten mit massivem Stress machen solch vorsichtige Fortschritte zunichte. Im schlimmsten Fall müssen Lehrer*Innen und Eltern nach den Schulschließungen wieder von Neuem damit beginnen, die Kinder in den Schulalltag zu integrieren.