Für 5,9 Millionen Familien in Deutschland gehört es mittlerweile zum neuen Alltag, zwischen Haushalt und Homeoffice, quasi ganz nebenbei, ihren Kindern den Schulstoff zu vermitteln. Doch was schon so manchem Lehrer schwerfällt, bringt viele Eltern an ihre persönliche Leistungsgrenze – und darüber hinaus. Das hat leider Folgen: für die Psyche der Kinder, für die Familien und auch für die späteren Chancen der Kinder.
Studie bestätigt: 50 % der Schüler*Innen weisen Lernrückstände auf
Eine Folge des andauernden Lernens auf Distanz wird sich schnell bemerkbar machen: Die Zeit bis zum Schuljahresende wird knapp. Besonders hart trifft dies Kinder und Jugendliche, die vor dem Übertritt an eine weiterführende Schule, vor einer Prüfung oder einem anderen wesentlichen Schritt ihres Schullebens stehen.
Während des Homeschoolings sind selbst bei den besten Schüler*Innen Wissenslücken entstanden – noch viel schlechter sieht es bei Schüler*Innen mit Unterstützungsbedarf aus. Das Deutsche Schulbarometer – eine repräsentative Umfrage der Robert Bosch Stiftung – zeigt, wie groß die Defizite sind. Durchschnittlich geben 38 Prozent der Schulen an, dass mindestens die Hälfte der Schüler*Innen Lernrückstände aufweist. Besonders stark betroffen sind mit 54 Prozent die Förderschulen sowie mit 47 Prozent die Haupt-, Real- und Gesamtschulen. Der/ die Lehrer*In kann nicht einfach den Schalter umlegen und mit dem normalen Unterricht fortfahren. Er/ Sie muss die entstandenen Lücken aufdecken und ausgleichen – und das kostet weitere Zeit.
Eltern und Kinder leiden unter Dauerstress
Auch in den Familien zeigt sich ein besorgniserregendes Bild: Kinder mit persönlichen Herausforderungen bekommen im Alltag Unterstützung, etwa individuelle Förderangebote oder Schulbegleiter. Ein Großteil dieser Möglichkeiten ist durch die Kontaktbeschränkungen der Corona-Pandemie weggebrochen. In vielen Familien sieht man jetzt Eltern bei dem Versuch, den Spagat zwischen der aus finanziellen Gründen notwendigen Berufstätigkeit, den Kindern und den Anforderungen der Schule zu schaffen. Sie versuchen alles, um ihre Kinder bestmöglich zu unterstützen. Und doch muss zwingend etwas auf der Strecke bleiben.
In vielen Familien herrscht deshalb ein enormer Druck. Sind die Eltern aufgrund systemrelevanter Berufe häufig abwesend oder fordern mehrere Kinder ihre Aufmerksamkeit, kratzt der Dauerstress an der Belastbarkeit der Eltern. Zwischenmenschliche Konflikte sind deshalb an der Tagesordnung. Eltern wie Kinder verbinden Schule nicht mehr mit Freude am Lernen, Spaß und sozialen Kontakten, sondern mit Stress, Überlastung und Ohnmacht.
Bei den Kindern äußert sich dies mitunter sogar in Verhaltensauffälligkeiten und depressiven Störungen. Dominik Schneider, Direkter der Westfälischen Kinderklinik Dortmund, stellt steigende Zahlen bei psychischen und körperlichen Störungen fest. Ob depressive Störung, Essstörung oder pathologisches Medienverhalten – solche Auffälligkeiten ziehen sich durch alle Bildungsschichten. Kinder brauchen den gegenseitigen Austausch mit ihren Freunden, den sozialen Kontakt und auch die Bindung zum/ zur Lehrer*In, um sich wohlzufühlen und eine positive Einstellung zum Lernen zu entwickeln.